Europa - Informationen Nr. 158

Strategische Autonomie um jeden Preis? - Der neue Europäische Verteidigungsfonds

Julia Maria Eichler (juristische Referentin) / Katrin Hatzinger

Die Europäische Kommission hat am 13. Juni 2018 im Rahmen der Vorschläge für den neuen EU-Haushalt (siehe auch nachfolgende Artikel) ihren Vorschlag für einen neuen Europäischen Verteidigungsfonds vorgelegt. Im Juni 2017 hatte die Kommission den Europäischen Verteidigungsfonds ins Leben gerufen, der mit dem aktuellen Vorschlag eine längerfristige Finanzierungsgrundlage im Rahmen der EU-Haushaltsplanung erhalten soll. Ziel des Fonds ist die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit, Effektivität und Innovationskraft der europäischen Verteidigungsindustrie durch die Unterstützung gemeinschaftlicher Aktionen und grenzüberschreitender Kooperation zwischen Unternehmen innerhalb der Union (Art. 3 Abs.1 des Vorschlags für die Fondsverordnung). Dies ist aus Kommissionssicht notwendig, um die gemeinsamen Herausforderungen im Sicherheits- und Verteidigungsbereich zu adressieren.

Am 3. Juli 2018 hat das Europäische Parlament nach einer Einigung zwischen Parlament, Rat und Kommission zudem das Programm zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich (EDIDP) verabschiedet, das 500 Millionen € für 2019/2020 bereithält und dazu beitragen soll, die Entwicklung neuer und verbesserter Produkte und  Technologien zu finanzieren, um die EU unabhängiger zu machen, die Ausgaben effizienter zu gestalten und die Innovation im Verteidigungsbereich zu fördern. Das Programm kann als eine Art Pilotprojekt des Europäischen Verteidigungsfonds angesehen werden. Die französische Berichterstatterin im Europäischen Parlament Françoise Grossetête (EVP) erklärte anlässlich der Abstimmung, dass das Programm „einen historischen Schritt nach vorn für Projekte der Verteidigungsindustrie bedeute und drei Herausforderungen bewältigen werde: Haushaltseffizienz, Wettbewerbsfähigkeit und strategische Autonomie“. Die Grünen -Fraktion hatte gegen das EDIDP gestimmt. Der sicherheitspolitische Sprecher und Schattenberichterstatter der Grünen, Reinhard Bütikofer, kritisierte das Programm als „Subventionsprogramm für die Rüstungsindustrie“. Dass Europa bei den Bemühungen um die gemeinsame Sicherheit stärker kooperieren muss, sei unstreitig. Jahr für Jahr würden 25 bis 100 Milliarden Euro Steuergelder verschwendet, weil das bisher kaum geschieht. Anstatt jedoch neue Regeln zu schaffen für diese Kooperation, so dass die Mittel wirksamer verwendet werden, werde lieber zusätzlich Geld verteilt, bemängelte der Politiker. Zudem könnten künftig auch ethisch unvertretbare Waffensysteme aus EU-Mitteln finanziert werden. Ferner hätten sich die Parlamentarier weiterer Mitspracherechte bei der Umsetzung des Programms begeben.

Der angekündigte Europäische Verteidigungsfonds soll nach dem Willen der EU-Kommission ein Budget von 13 Milliarden Euro für den siebenjährigen Haushalt haben. Für 2021-2027 stehen für Forschungsaktivitäten 4,1 Milliarden € und 8,9 Milliarden € im Bereich Entwicklung zur Verfügung (Art. 4 Abs. 2). Damit werde die EU zu einem der größten vier Investoren in Verteidigungsforschung und -technologie in Europa, so die Kommission. Bis zu 5 % des Gesamtbudgets ist der Unterstützung von revolutionären Technologien gewidmet (Art. 4 Abs. 4).  Der Fonds soll auch den Mitgliedern der Europäischen Freihandelszone offenstehen, die auch Teil des Europäischen Wirtschaftsraums sind (Art. 5; im Folgenden assoziierte Länder).

Aktivitäten innerhalb des Fonds sollen ethischen Prinzipien und relevante nationale, europäische und internationale Gesetzgebung einhalten (Art. 7 Abs. 1). Die Vorschläge sollen regelmäßig daraufhin überprüft werden, welche Aktivitäten komplexe oder ernsthafte ethische Fragen aufwerfen. Diese Vorschläge sollen dann einer ethischen Bewertung unterzogen werden. Beides wird durch die Kommission erfolgen, die durch Experten in Verteidigungsethik unterstützt werden soll (Art. 7 Abs. 2). Der Prozess soll möglichst transparent gestaltet werden. Wenn angemessen, wird die Kommission auch während der Umsetzungsphase ethische Überprüfungen durchführen. Aktivitäten, die als ethisch nicht vertretbar bewertet werden, können jederzeit zurückgewiesen oder beendet werden (Art. 7 Abs. 5).

Förderfähig sind Antragssteller und deren Unterauftragnehmer u.a., wenn sie in der EU oder einem assoziierten Land angesiedelt sind, ihre Geschäftsführungsstrukturen sich in der EU befinden und keine Kontrolle durch ein nicht-assoziiertes Drittland besteht (Art. 10 Abs. 1). Ausnahmen sollen u.a. möglich sein, wenn dies die Sicherheitsinteressen der EU und seiner Mitglieder nicht beeinträchtigt.

Eine Liste an förderfähigen Aktivitäten enthält Art. 11. Durch den Fonds können sowohl neue als auch der Ausbau von existierenden Produkten und Technologien gefördert werden. Grundsätzlich können durch den Fonds bis zu 100 % der förderfähigen Kosten einer Aktivität finanziert werden. Ausnahmen bestehen für Prototypen, die nur bis zu 20 % der Kosten gefördert werden können (Art. 14 Abs.2 a)), und Testverfahren (bis zu 80 %) (Art. 14 Abs. 2 b)). In der Entwicklungsphase können u.a. PESCO-Projekte (Projekte der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik), eine um 10 Prozentpunkte höhere Förderung erhalten. Höhere Fördermöglichkeiten sind u.a. auch für Konsortien mit Beteiligung von kleinen und mittleren Unternehmen vorgesehen (Art. 14 Abs. 3 b). Diese Aufstockungen dürfen insgesamt nicht 30 Prozentpunkte übersteigen. Der Fonds deckt nicht die Beschaffungsphase ab. Für diese Phase kann die Kommission lediglich praktische Unterstützung, etwa durch die Bereitstellung von Rahmenvereinbarungen oder Hinweisen zur Eigentümerstruktur, gewähren.

Für den Forschungsbereich gilt u.a., dass das Eigentum und die Ergebnisse demjenigen zustehen, der sie erzeugt hat oder, sofern das nicht klar feststellbar ist, gemeinsames Eigentum erworben wird (Art. 22 Abs. 1). Erfolgt die Unterstützung der EU durch öffentliche Auftragsvergabe sollen die Ergebnisse im Eigentum der EU stehen. Mitgliedstaaten und assoziierte Länder erhalten kostenlose Zugangsrechte (Art. 22 Abs. 2).

Für den Entwicklungsbereich gelten u.a. zusätzliche Fördervoraussetzungen. So muss ein Konsortium z.B. für die Entwicklung eines Prototyps nachweisen, dass mindestens zwei Mitgliedstaaten oder assoziierte Staaten beabsichtigen, das Endprodukt zu erwerben (Art. 23). Eine Eigentümerstellung der EU bezüglich der Produkte oder Technologien dieser Entwicklungsphase ist ebenso ausgeschlossen, wie die Möglichkeit, dass die Union geistiges Eigentum an den Ergebnissen dieser Aktivitäten erhält. (Art. 25 Abs. 1). Als Ausnahme gilt auch hier die Förderung durch öffentliche Auftragsvergabe (Art. 25 Abs. 4).

Die Kommission erstellt jährliche oder mehrjährige Arbeitsprogramme (Art. 27). Zudem ist ein Ausschuss vorgesehen, in dem die Mitgliedstaaten vertreten sind. Die Europäische Verteidigungsagentur soll hierin einen Beobachterstatus erhalten, der Europäische Auswärtige Dienst soll unterstützend mitwirken (Art. 28). Abzuwarten bleibt, wie sich das Parlament und die Mitgliedstaaten in den Haushaltsberatungen dazu positionieren werden.

Den Gesetzgebungsvorschlag finden Sie in englischer Sprache unter:
http://bit.ly/ekd-NL-158_SuV-2

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