Europa - Informationen Nr. 158
Neue Überschrift, gleicher Inhalt? - Das Instrument für Nachbarschaft, Entwicklung und internationale Zusammenarbeit
Julia Maria Eichler / Katrin Hatzinger
Die Kommission hat am 14. Juni 2018 ihre Vorschläge für die Finanzierung ihres auswärtigen Handels veröffentlicht. Das neue Instrument für Nachbarschaft, Entwicklung und internationale Zusammenarbeit soll den größten Teil des EU-Budgets unter der Überschrift „Nachbarschaft und die Welt“ einnehmen. Mit dem Instrument soll Armut bekämpft, nachhaltige Entwicklung, Wohlstand, Frieden und Stabilität gefördert werden. Die Zusammenlegung diverser Instrumente (u.a. das Finanzierungsinstrument für die Entwicklungszusammenarbeit, das Europäische Nachbarschaftsinstrument, das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte, das Partnerschaftsinstrument und das Instrument, das zu Stabilität und Frieden beiträgt) und die Aufnahme des bisher außerhalb des EU-Haushalt befindlichen Europäischen Entwicklungsfonds soll der Vereinfachung dienen. Von den bisherigen Instrumenten bleiben u.a. das Instrument für Heranführungshilfe, das Instrument für humanitäre Hilfe und die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik als eigenständige Instrumente bestehen.
Mit dem neuen Instrument soll die Flexibilität erhöht werden, um auf sich ändernde Umstände reagieren zu können. Außerdem sollen dadurch Transparenz und demokratische Kontrolle verbessert werden. Durch die Verschmelzung der bisher selbstständigen Instrumente sollen künstliche Grenzen beseitigt, Verwaltungsaufwand verringert und Managementstrukturen vereinheitlicht werden. Dies sei notwendig, da auch die globalen Herausforderungen (von Klimawandel über die Gleichberechtigung von Frauen bis hin zu Migration) miteinander verknüpft seien. Mehr Flexibilität soll durch die Möglichkeit, nichtgebundene Mittel zu übertragen und durch die Aufhebung von Mittelbindungen freigewordene Beträge einem neuen Zweck zuzuführen, erreicht werden (Art. 25 des Verordnungsvorschlags).
Die Verordnung verfolgt einen rechtsbasierten Ansatz, der die Menschenrechte umfasst. Durch die Verordnung sollen u.a. die Gleichberechtigung und Frauenförderung unterstützt werden. Die Zusammenarbeit mit Drittstaaten soll auf Eigenverantwortung für die Entwicklungsprioritäten durch Partnerländer („Ownership“), Ergebnisorientierung, Transparenz und inklusiven Entwicklungspartnerschaften basieren (Art. 8).
Zudem gilt im Rahmen der spezifischen Bestimmungen für den Bereich Nachbarschaft weiterhin das „Mehr für Mehr“-Prinzip: Bis zu 10 % des Fonds sollen zusätzlich zur Anerkennung für Fortschritte z.B. im Bereich Demokratie, Menschenrechte und Zusammenarbeit bei Migration dienen (Art. 17 Abs. 2, 4 Abs. 2).
10 % der vorgesehenen Mittel sollen der Bekämpfung von Ursachen für irreguläre Migration und Zwangsvertreibung sowie zur Unterstützung von Migrationsmanagement und -steuerung inklusive dem Schutz der Rechte von Flüchtlingen und Migranten gewidmet werden (ErwG. 30); 25 % der Steigerung der Anstrengungen zur Bekämpfung des Klimawandels (ErwG. 28). Zudem sollen mindestens 92 % der Ausgaben unter dieser Verordnung die Kriterien der öffentlichen Entwicklungshilfe erfüllen (Art. 3 Abs. 3).
Das Instrument besteht aus drei Säulen: einer geographischen, einer thematischen und einer Krisenreaktionssäule (Art. 4 Abs. 1)
Die geographische Säule dient dem Dialog und der Kooperation mit einzelnen Partnerländern und der länderübergreifenden Zusammenarbeit in der Nachbarschaft, Subsahara-Afrika, Asien und Pazifik sowie Amerika und Karibik. Ausgenommen sind u.a. Beitrittskandidaten und potentielle Beitrittskandidaten. Der materielle Anwendungsbereich der geographischen Säule umfasst Themen wie z.B. Sicherheit, Stabilität und Frieden; gute Regierungsführung, Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte und Beseitigung von Armut, Bekämpfung von Ungleichheiten und menschliche Entwicklung (Art. 4 Abs. 2).
Die thematische Säule umfasst Aktivitäten, die in Zusammenhang mit den nachhaltigen Entwicklungszielen stehen. Folgende Themenbereiche werden durch diese Säule erfasst: Menschenrechte und Demokratie, zivilgesellschaftliche Organisationen, Stabilität und Frieden und globale Herausforderungen, die u.a. Gesundheit, Bildung, Frauen und Kinder und Migration umfassen (Art. 4 Abs. 3).
Durch die Krisenreaktionssäule soll schnelles Handeln gewährleistet werden, um zu Stabilität und Konfliktprävention in Situation von Notfällen, aufkommenden Krisen, Krisen und Nachkrisensituationen beizutragen. Außerdem soll sie zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Staaten, Gesellschaften, Gemeinschaften und Individuen beigetragen. Auch außenpolitische Bedürfnisse und Prioritäten sollen adressiert werden (Art. 4 Abs. 4). U.a. soll hierdurch Art. 3 des derzeitigen Instrumentes für Stabilität und Frieden ersetzt werden, der die Hilfe als Reaktion auf Krisensituationen oder sich abzeichnende Krisen zur Verhütung von Konflikten regelt. Auch diese Säule hat einen weltweiten Geltungsbereich. Die Eingriffsbereiche, wie z.B. Frühwarnung, Konfliktanalysen, Vertrauensbildung und Mediation, sind in Annex IV genannt.
Zur Umsetzung der Verordnung stehen insgesamt 89,2 Milliarden € für den Zeitraum 2021-2027 zur Verfügung (Art. 6 Abs. 1). Hiervon sollen 68 Milliarden € im Rahmen der geographischen Programme genutzt werden, wovon wiederrum u.a. 22 Milliarden für die Regionen „Nachbarschaft“ und 32 Milliarden für „Subsahara-Afrika“ vorgesehen sind (Art. 6 Abs. 2 a). Sieben Milliarden € sind für die thematischen Programme vorgesehen, u.a. 1,5 Milliarden für Menschenrechte und Demokratie, 1,5 Milliarde für Zivilgesellschaft und eine Milliarde für Stabilität und Frieden. (Art. 6 Abs. 2 b). Zudem stehen drei Milliarden € für globale Herausforderungen wie Gesundheit, Bildung, Frauenförderung und Migration zur Verfügung. Die letzte Säule (Krisenreaktion) umfasst vier Milliarden €.
Zudem steht eine zusätzliche Reserve von 10, 2 Milliarden € für neu entstehende Herausforderungen und Prioritäten zur Verfügung (Art. 6 Abs. 3), die eine angemessene Reaktion der EU auf unvorhergesehene Umstände und auf neue Bedürfnisse und neue Herausforderungen z.B. Krisen oder Migrationsdruck an Europas Grenzen absichern soll (Art. 15).
Art. 9 enthält die Möglichkeit militärischer Akteure in Partnerländern im Zusammenhang mit der Reform des Sicherheitssektors oder zum Kapazitätsaufbau finanziell zu unterstützen, um zur nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Ausgeschlossen sind die Beschaffung von Waffen und Munition oder Operationen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Auswirkungen. Ausdrücklich genannt werden Trainings, Betreuung und Beratung ebenso wie die Bereitstellung von Ausrüstung. Voraussetzung ist u.a., dass die Bedingungen für eine angemessene Verwirklichung der Ziele der Union nach dieser Verordnung nicht durch Rückgriff auf nichtmilitärische Akteure erfüllt werden können und die Existenz funktionierender Staatsorgane oder die Wahrung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten ernsthaft bedroht sind und die Staatsorgane diese ernsthafte Bedrohung nicht mehr bewältigen können. Die finanzielle Unterstützung zum Kapazitätsaufbau soll nur zur Erfüllung und Sicherheit von Entwicklungsmaßnahmen erfolgen. Ausgeschlossen sind wiederkehrende Militärausgaben, jede Ausrüstung, die tödliche Gewalt ausüben kann, und jede Art von Ausbildung, die gezielt zur Kampffähigkeit von Streitkräften beiträgt. Damit finden sich die Änderungen, die 2017 am Instrument für Stabilität und Frieden vorgenommen worden waren, auch in dem neuen Programm wieder.
Neven Mimica, der Kommissar für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung, erklärte zur Veröffentlichung des Vorschlags: „Die EU ist ein wichtiger Förderer der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und der darin verankerten Ziele für nachhaltige Entwicklung. Unsere Vorschläge bieten der EU die finanzielle Grundlage für die Fortsetzung ihrer Rolle als führender Akteur der Entwicklung, für die Unterstützung ihrer Partner bei der Beseitigung der Armut und für ihre Reaktion auf globale Herausforderungen, wobei gleichzeitig dafür gesorgt ist, dass niemand zurückgelassen wird.“
Kritik an dem neuen Zuschnitt gab es u.a. seitens der Entwicklungshilfeorganisationen, die in Zukunft einen erschwerten Zugang von NGOs zu den Geldern befürchten und den Verlust von Sichtbarkeit und der Eigenständigkeit von bewährten Programmen wie z.B. des Instruments für Stabilität und Frieden (siehe auch EKD-Europa-Informationen 155) bemängeln und außerdem befürchten, dass entwicklungspolitische Instrumente zweckentfremdet werden.
Grundsätzlich sind Flexibilität, Nutzung von Synergien, Vereinheitlichung und mehr Transparenz wichtige und legitime Ziele. Es ist in der Tat diskussionswürdig, ob eine Bündelung von Programmen tatsächlich mehr Synergien schafft und ob wichtige Bereiche wie die Entwicklungspolitik ins Hintertreffen geraten. Fest steht, der u.a. aus der Kohäsionspolitik bekannte Trend zur Zusammenlegung von Programmen setzt sich mit dem Vorschlag auch im außen- und entwicklungspolitischen Bereich fort. Das heißt jedoch nicht, dass entwicklungspolitische Inhalte oder Demokratieförderung und Konfliktprävention aufgegeben würden. Die EU-Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament müssen nun über den Vorschlag befinden.
Einen Link zu dem Vorschlag finden Sie unter:
http://bit.ly/ekd-NL-158_SuV-1