Europa - Informationen Nr. 158

EU- Förderung im Bildungsbereich nach 2021

Gisela de Vries (Beraterin für EU-Förderpolitik und -projekte)

Am 30. Mai 2018 hat die Europäischen Union einen Vorschlag für das Programm „Erasmus“ für die Unterstützung von Bildungsarbeit in der kommenden Förderperiode von 2021-2027 vorgelegt. Es ist das Nachfolgeprogramm von „Erasmus+“ über das derzeit viele Projekte aus Kirche und Diakonie in Deutschland gefördert werden.

Das Ziel des Programms „Erasmus“ ist die Unterstützung der  bildungsbezogenen, beruflichen und persönlichen Entwicklung der Menschen in den Bereichen allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport in Europa und darüber hinaus. Damit soll ein Beitrag zu nachhaltigem Wachstum, Beschäftigung und sozialem Zusammenhalt und einer stärkeren europäischen Identität geleistet werden. Das Programm soll einen Beitrag leisten zur Erreichung der politischen Ziele auf europäischer Ebene wie zum Beispiel der Schaffung eines europäischen Bildungsraums oder der Förderung der strategischen europäischen Zusammenarbeit im Bildungsbereich.

Das neue Programm zeichnet sich dadurch aus, dass die Struktur des Programms „Erasmus+“ aus der aktuellen Förderperiode im Großen und Ganzen beibehalten werden soll. „Evolution statt Revolution“ heißt die Devise. Damit wird es weiterhin möglich sein, in den Bereichen schulische und vorschulische Bildung, Jugend, berufliche Bildung, Hochschulbildung, Erwachsenenbildung sowie Sport auf drei Ebenen zusammenzuarbeiten:

1) Begegnungen, Hospitationen, Praktika, Kursbesuche von Einzelpersonen (z.B. Jugendlichen, Auszubildenden, Studierenden, Schülerinnen und Schülern oder auch Fachkräften in den verschiedenen Bildungsbereichen)

2) Zusammenarbeit von Einrichtungen und Organisationen innerhalb oder über mehrere Bildungsbereiche hinweg zu Themen von gemeinsamem Interesse sowie

3) die Unterstützung von politischen Reformen. Die Aktionen im Jean-Monnet Programm zur Unterstützung von Lehre und Forschung zum Thema der europäischen Integration sollen in Zukunft nicht auf den Hochschulbereich begrenzt sein, sondern auf andere Bereiche ausgeweitet werden.

Sehr zu begrüßen ist, dass bei der Ausarbeitung des Verordnungsentwurfs viele der Vorschläge auch aus der Zivilgesellschaft für das neue Programm aufgegriffen worden sind. Dazu zählt, dass sich zunächst das Budget von knapp 15 Milliarden auf 30 Milliarden Euro verdoppeln soll. Damit einher geht auch die Verdoppelung der Budgets für die einzelnen Bildungsbereiche. So sind zum Beispiel für den Schulbereich mindestens ca. 3,8 Mrd. Euro  (1,7 Mrd. Euro im laufenden Programm), für die Erwachsenenbildung mindestens ca. 1,2 Mrd. Euro (ca. 580 Mio. Euro im laufenden Programm) oder für den Bereich Jugend 3,1 Mrd. Euro (1,5 Mrd. im laufenden Programm) vorgesehen. Mit dieser Verdoppelung des Budgets soll eine Verdreifachung der Personen und Einrichtungen einhergehen, die vom Programm profitieren. Dabei sollen auch Vorkehrungen getroffen werden, dass auch Benachteiligte stärker von den Angeboten des Programms profitieren sollen. Ebenso sollen Antragstellung,  Durchführung und Abrechnung der Projekte vereinfacht und auch kleineren Organisationen die Teilnahme an Projekten erleichtert werden. Dafür sind zum Beispiel Partnerschaften mit geringer Reichweite („Small Scale partnerships“) neu eingeführt.

Es ist ferner erkennbar, dass in der kommenden Förderperiode die Möglichkeit von Plattformen und Instrumenten für die virtuelle Zusammenarbeit wie auch digitale Begegnungen zur Ergänzung von persönlichen Treffen verstärkt genutzt werden sollen.

Das viel diskutierte Programm „#DiscoverEU“ wird Bestandteil des zukünftigen Bildungsprogramms werden. Dieses sieht vor, jungen Europäerinnen und Europäern zu ihrem 18. Geburtstag ein kostenloses Interrail-Ticket zur Verfügung zu stellen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, auf eigene Faust in andere europäische Länder zu reisen, um Land und Leute kennen zu lernen und ein Bewusstsein für die Zugehörigkeit zu Europa zu entwickeln. Die Freiwilligenarbeit von jungen Erwachsenen wird nicht mehr Bestandteil des Programms sein, sondern wird im Rahmen des eigenständigen Europäischen Solidaritätskorps gefördert werden.

Im aktuellen Verordnungsentwurf hat die Kommission eine Flexibilitätsreserve aus Mitteln für die allgemeine und berufliche Bildung vorgesehen, die derzeit eine Höhe von ca. 6 Milliarden Euro hat. Bisher ist noch nicht bekannt, wer nach welchen Kriterien entscheiden wird, wie diese Mittel verteilt werden sollen. Es ist zu erwarten, dass es hierzu viele Diskussionen mit dem Europäischen Parlament geben wird. Ebenfalls ist abzusehen, dass die Debatte um den Namen des Programms wieder aufleben wird. Die Akronym „Erasmus“ steht für „European Region Action Scheme for the Mobility of University Students“ und wird auch in der breiten Öffentlichkeit vielfach mit der Unterstützung von Studierenden, die einen Aufenthalt im Ausland durchführen möchten in Verbindung gebracht. Wenn in Zukunft sogar das „+“ von „Erasmus+“ wegfallen soll, wird es für die anderen Bildungsbereiche, die ebenfalls im Rahmen des Programms gefördert werden, noch schwieriger sichtbar zu bleiben und ihren eigenen Markenkern zu bewahren.

Insgesamt ist der Entwurf der Verordnung noch recht vage. In den nächsten Wochen und Monaten werden die Vertreterinnen und Vertreter der Europäischen Institutionen, der Mitgliedstaaten sowie der Zivilgesellschaft daran arbeiten, die Details zu den bestehenden Überschriften und Stichworten so auszugestalten, dass das Programm die daran geknüpften Erwartungen auch erfüllen kann. Die aktuelle österreichische Ratspräsidentschaft hat es sich zum Ziel gesetzt, auf diesem Weg bis zum nächsten Bildungsministerrat substanziell voranzukommen, um die Zeit bis zur nächsten Wahl zum europäischen Parlament im Mai 2019 möglichst gut zu nutzen.

Unter dem folgenden Link finden Sie den vorgelegten Entwurf der Europäischen Kommission für die Verordnung:
http://bit.ly/ekd-NL-158_JBuK-1

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