Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel Europa - Informationen Nr. 154

Das liebe Geld - Der EU-Haushalt nach 2020

Ulrike Truderung (Referentin für EU-Förderpolitik/-projekte)

"Money makes the world go round" - das gilt auch für die Europäische Union (EU), denn ohne einen gemeinsamen Haushalt kann keine Initiative und kein Förderprogramm der EU finanziert werden. So sind bereits jetzt die Verhandlungen um den EU-Haushalt nach 2020 in die "heiße Phase" eingetreten. Erschwert werden die gewöhnlich ohnehin schon schwierigen Verhandlungen nun durch den für 2019 angekündigten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU und den damit verbundenen Wegfall der britischen Beiträge zum Haushalt. Wie viel Geld nach dem Brexit in der gemeinsamen Kasse fehlen wird, ist derzeit noch nicht im Detail abzusehen. Jedoch rechnen Vertreter der Bundesregierung mit einer Lücke von jährlich ca. 10 Milliarden Euro im Vergleich zur laufenden Haushaltsperiode.  Als Konsequenz ist damit zu rechnen, dass, sofern die Höhe des EU-Haushalts auf dem aktuellen Niveau bestehen bleiben soll, die verbleibenden Mitgliedsstaaten diese Lücke schließen müssten - oder, dass alternativ die EU-Ausgaben gekürzt werden müssen. Dass eine Hauptlast dabei auf Deutschland zukommen würde, wurde bereits aufgrund von Äußerungen unter anderem von EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger und Bundesaußenminister Sigmar Gabriel deutlich. Die Brexit-Verhandlungen führen zudem bereits jetzt zu einer Verzögerung in den Verhandlungen zum zukünftigen Haushalt: Entgegen der ursprünglichen Planungen, Ende 2017 einen ersten Entwurf für den EU-Haushalt nach 2020 vorzulegen, plant die Europäische Kommission nun eine entsprechende Vorlage frühestens für den Sommer 2018. Somit kündigt sich bereits jetzt eine erneute Förderlücke im Jahr 2021 an, während der - wie schon zu Beginn der derzeitigen Förderperiode - keine oder nur sehr begrenzte EU-Fördermittel zur Verfügung stehen werden.


Im Zuge der Diskussionen über den zukünftigen EU-Haushalt ist eher unerwartet auch die Kohäsionspolitik (Regionalpolitik) ins Visier der Reformer geraten. In dem am 1. März 2017 von Jean-Claude Juncker vorgelegten "Weißbuch zur Zukunft Europas" wird in einem der fünf vorgeschlagenen Szenarien ("Weniger, aber effizienter") gar explizit die Einstellung der europäischen Kohäsionspolitik vorgeschlagen (siehe Leitartikel); in einem weiteren ("Schwerpunkt Binnenmarkt") steht die Kohäsionspolitik indirekt ebenfalls vor dem Aus, da in diesem Szenario sämtliche Politikbereiche ohne Bezug zum Binnenmarkt nicht weiterverfolgt werden sollen. Allerdings regte sich gegen diesem Vorschlag bereits breiter Protest im Europäischen Parlament und bei den Vertretungen der Regionen, so dass eine tatsächlich gänzliche Abschaffung der Kohäsionspolitik nicht wahrscheinlich erscheint.


Parallel zu den Haushaltsverhandlungen finden derzeit die Halbzeitbewertungen der laufenden EU-Förderprogramme für die aktuelle Haushaltsperiode 2014-2020 statt, in denen die bisherigen Erfahrungen der laufenden Programme aus den Jahren 2014-2017 ausgewertet und für eine eventuelle Anpassung der Programme herangezogen werden sollen. Auch das EKD-Büro Brüssel ist an diesen Halbzeitbewertungen in Form von Konsultationsbeiträgen und Stellungnahmen, beispielsweise zu den Programmen "ERASMUS+" und "Europa für Bürgerinnen und Bürger", beteiligt. Eine stärkere Wirksamkeitsorientierung, mehr Flexibilität des Budgets und der verstärkte Einsatz von rückzahlbaren Finanzinstrumenten sind die vornehmlichen Trends, die die Debatte kennzeichnen. Insbesondere der starke Fokus auf die Wirksamkeit der zu fördernden Projekte ist dabei kritisch zu beurteilen. Zwar ist das Ansinnen der Kommission durchaus verständlich, maximale Resultate aus dem ohnehin schrumpfenden Budget herauszuholen, um so dem wachsenden Legitimierungsdruck zu begegnen. Jedoch besteht die Gefahr, dass diese Tendenz insbesondere soziale Projekte weniger attraktiv für die Förderung macht - denn in diesen werden naturgemäß vor allem "weiche" Resultate erzielt, die sich langfristig weniger gut messen und vorhersagen lassen als beispielsweise Projekte, die die Schaffung von Infrastruktur zum Ziel haben. Wichtig wird daher in den relevanten Gesetzestexten eine sensible Wortwahl sein, die sich vor allem auf die direkten Projektaktivitäten beziehen und nicht eine Quantifizierung der langfristigen Ergebnisse zum alleinigen Förderkriterium machen.


Das derzeit wohl sichtbarste Vorhaben zur Modernisierung des EU-Haushalts und der europäischen Förderpolitik liegt in der sogenannten "Omnibus-Verordnung" (von lat. omnibus = für alle), die aktuell im Europäischen Parlament und im Ministerrat verhandelt wird und mit der ein einheitlicher Rahmen zu den existierenden Fördermittelrichtlinien der EU geschaffen werden soll. Unter anderem sollen zukünftig nach Absicht der Europäischen Kommission in EU-Förderprogrammen stärker Pauschalbrechnungen genutzt werden können. Das EKD-Büro Brüssel setzt sich mit seinen Partnern auch dafür ein, dass bestimmte Vorgaben im Bereich des Europäischen Sozialfonds (ESF) gestrichen werden, die auch bei evangelischen Trägern auf massive Kritik gestoßen waren. Hierbei handelt es sich um die sogenannten "haushaltsbezogenen Indikatoren", bei denen Teilnehmende an ESF-Projektmaßnahmen ihre persönliche Haushaltssituation offenlegen mussten. Zahlreiche Teilnehmende brachen als Konsequenz ihre Teilnahme an den ESF-Maßnahmen ab.


"Oettinger rechnet mit Milliardenkosten für Deutschland", Zeit Online, 12.2.2017,

Den Artikel finden Sie hier:

http://ekd.be/2qiqLRY

Sigmar Gabriel, "Mehr für Europa zahlen"Den Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 21.3.2017,

Den Artikel finden Sie hier:

http://ekd.be/2qhKPoi

Nächstes Kapitel