Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel Europa - Informationen Nr. 154

Europäisches Asylsystem im Umbau

Julia Maria Eichler

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) befindet sich derzeit in einem grundlegenden Umbau. Nachdem die Europäische Kommission 2016 Gesetzesvorschläge zu allen wesentlichen Richtlinien und Verordnungen vorgelegt hat, arbeitet das Europäische Parlament (EP) gegenwärtig auf Hochtouren daran, seine Position zur Asylverfahrens-, der Qualifikations- und der Dublin-Verordnung sowie der Aufnahmebedingungenrichtlinie festzulegen (EKD Europa-Informationen Nr. 153).


Die Brüsseler EKD-Vertretung  bringt sich gemeinsam mit anderen christlichen Organisationen weiterhin in den Gesetzgebungsprozess ein. Zuletzt hatte das EKD-Büro in Brüssel gemeinsam mit Caritas Europa, dem Jesuiten-Flüchtlingsdienst, den Quäkern und der Kommission der Kirchen für Migranten in Europa (CCME) im März 2017 Empfehlungen für weitere Änderungen an der Position des zuständigen Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres-Ausschuss (LIBE) zur Dublin-Verordnung ausgesprochen. Der Entwurf für einen EP-Bericht zur Dublin-IV-Verordnung war am 09. März 2017 von Cecilia Wikström (ALDE) im LIBE-Ausschuss vorgestellt worden. Bereits dieser enthält deutliche Verbesserungen gegenüber dem Kommissionsvorschlag und setzte einige der Empfehlungen christlicher Organisationen vom Oktober 2016 um. So sieht der Berichtsentwurf die Löschung des sogenannten Dublin-Vorverfahrens ebenso wie der Sanktionen für Sekundärmigration etwa in Form eines beschleunigten Verfahrens vor. Der Umverteilungsmechanismus, der im Falle der Überlastung eines Mitgliedstaates die Verteilung von Asylbewerbern zwischen den EU-Mitgliedstaaten nach einer festen Quote vorsieht, soll über fünf Jahre schrittweise eingeführt werden, um die Asylsysteme aller Mitgliedstaaten auf die Aufnahme von Asylbewerbern vorzubereiten. Zudem wurde die Strafzahlung für Mitgliedstaaten im Falle der Weigerung der Aufnahme von Asylbewerber im Rahmen der Umverteilung in Höhe von 250.000 ? gestrichen. Aufbauend auf diesem Berichtsentwurf hatten die fünf Vertretungen in Brüssel bei den Abgeordneten des LIBE-Ausschusses für die Unterstützung bestimmter Vorschläge etwa für die von Wikström vorgeschlagene vereinfachte Familienzusammenführung im Rahmen der Umverteilung geworben und darüber hinaus weitere Änderungen gefordert. So müsse die Familienzusammenführung auch innerhalb des normalen Dublin-Verfahrens vereinfacht und gestärkt werden. Ein erster Schritt wäre hierfür, dass die Kosten für die Überstellung aus dem Unionshaushalt getragen werden, um zu verhindern, dass nationale Haushaltrestriktionen die Familienzusammenführung verhindern oder verzögern. Zudem sollten die Garantien für unbegleitete Minderjährige weiter gestärkt werden. Die derzeitige Dublin-III-Verordnung sieht sowohl den automatischen Übergang der Zuständigkeit auf einen Mitgliedstaat nach Fristablauf als auch die Übertragung der Zuständigkeit durch das Ausstellen eines Aufenthaltstitels vor. Die Organisationen sprachen sich dafür aus, diese Vorschriften, die nach dem Kommissionsvorschlag aus der neuen Dublin-Verordnung gestrichen werden sollen, wieder aufzunehmen. Diese seien notwendig, um Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu eröffnen, in Ausnahmesituationen auf Einzelfälle adäquat zu reagieren und den Druck auf die Mitgliedstaaten mit EU-Außengrenzen zu verringern. Zu dem Wikström-Berichtsentwurf sind über 1000 Änderungsanträge eingegangen. Eine Abstimmung im Ausschuss wird Ende Mai 2017 erwartet.


Auch die übrigen Dossiers kommen im Parlament voran. Der Entwurf für einen Bericht zur Aufnahmebedingungenrichtline war bereits am 18. Januar 2017 veröffentlicht worden. Die niederländische Abgeordnete Sophia In`t Veld (ALDE) schlägt in ihrem Bericht u.a. vor, die Informationspflichten der Mitgliedsstaaten zugunsten der Asylbewerber deutlich zu erweitern; die Möglichkeiten der Zuweisung eines bestimmten Aufenthaltsorts einzuschränken, die Voraussetzungen für die Ingewahrsamnahme von Asylbewerbern erheblich zu verschärfen und den Zugang zum Arbeitsmarkt ab dem Tag der Antragsstellung zu gewähren. Das Brüsseler EKD-Büro hatte gemeinsam mit anderen christlichen Organisationen im Dezember 2016 eine Stellungnahme zu den Entwürfen für eine  Qualifikations- und Asylverfahrensverordnung sowie der Aufnahmebedingungenrichtlinie veröffentlicht. Entgegen den Em-pfehlungen in der Stellungnahme zur Aufnahmebedingungsrichtlinie folgt die Berichterstatterin leider der Kommission insofern, als dass Asylbewerbern, deren Anträge im beschleunigten Verfahren geprüft werden, kein Arbeitsmarktzugang gewährt werden soll. Positiv ist, dass die Mitgliedsstaaten Asylbewerbern effektiven Zugang zu kostenlosen Sprachkursen ab dem Tag der Antragsstellung gewährleisten sollen. Die Mitgliedsstaaten können aber Bewerber verpflichten, die Kosten ganz oder teilweise zu tragen. In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der christlichen Organisationen soll laut Berichtsentwurf auch Art. 17 a des Vorschlags für die geänderte Aufnahmebedingungsrichtlinie gestrichen werden. Dieser sah vor, dass Bewerber keinen Anspruch auf Aufnahmebedingungen haben, wenn sie sich in einem anderen Mitgliedsstaat als dem nach der Dublin-Verordnung für sie zuständigen aufhalten.


Auch der Berichtsentwurf zur Qualifikationsverordnung ist Ende Februar 2017 veröffentlicht worden. In ihrer Stellungnahme hatten die christlichen Organisationen vor allem die verpflichtende regelmäßige Statusüberprüfung und die weitergehende Differenzierung von Flüchtlingsstatus und subsidiären Status insbesondere hinsichtlich deren Gültigkeitsdauer als integrationshindernd kritisiert. Der Berichtsentwurf der slowenischen Abgeordneten Tanja Fajon (S&D) greift diese Bedenken auf. Die Statusüberprüfung wird ins Ermessen der Mitgliedsstaaten gestellt und die beiden Schutzstatus mit einer Gültigkeitsdauer von fünf Jahren ausgestattet. Sollten sich diese Änderungen durchsetzen, dürfte dies Flüchtlingen und subsidiär Geschützten die für die Integration notwendige Sicherheit und Stabilität geben. Zudem möchte die Berichterstatterin den Mitgliedsstaaten nicht die Möglichkeit geben, subsidiär Geschützten nur reduzierte Sozialleistungen zu gewähren.  Auch wenn in ihrem Berichtsentwurf weiterhin die Möglichkeit vorgesehen ist, bestimmte Sozialleistungen von der Teilnahme an Integrationsmaßnahmen abhängig zu machen, führt sie die in der Stellungnahme geforderten notwendigen Sicherheitsgarantien ein und bestimmt, dass Integrationsmaßnahmen kostenlos, leicht zugänglich und die besonderen Bedürfnisse der Teilnehmer berücksichtigen müssen. Zudem greift die Berichterstatterin die Forderung auf, im Hinblick auf den in Art. 78 Abs. 2 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehenen einheitlichen Asylstatus, endlich positive Asylentscheidung gegenseitig anzuerkennen. Das ist sehr zu begrüßen. Leider sieht die Berichterstatterin keinen Änderungsbedarf hinsichtlich der vorgeschlagenen Änderung an der Daueraufenthaltsrichtlinie. Die Kommission hat vorgeschlagen, dass die Frist des fünfjährige legalen Aufenthalts zur Erlangung einer Daueraufenthaltsberechtigung, für Personen mit internationalen Schutzstatus jedes Mal wieder von vorn beginnt, wenn eine solche Person sich in einem Mitgliedstaat aufhält, ohne hierzu berechtigt zu sein.
Auch wenn weiterhin Kritikpunkte bestehen, wird bei allen drei Berichtsentwürfen deutlich, dass das Parlament vor allem in Bezug auf Sekundärmigration bewusst einen positiven Ansatz gewählt hat, um durch Anreize und Information, Asylbewerber zum Aufenthalt im zuständigen Mitgliedstaat zu bewegen und nicht durch Strafen abzuschrecken.


Die Diskussionen im Ministerrat über die Vorschläge sind noch nicht so weit fortgeschritten. Während bei der Aufnahmebedingungenrichtlinie im Rat die großen Fragen bereits beantworten sind und nur noch kleinere Einzelfragen geklärt werden müssen, ist die Frage nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsgenehmigung für Flüchtlinge und subsidiär Geschützte im Rahmen der Diskussionen über die Qualifikationsverordnung stark umstritten. Bei der Dublin-Verordnung wird vor allem um den zukünftigen Solidaritätsmechanismus gerungen. Während insbesondere die Mitgliedsstaaten mit EU-Außengrenze ein möglichst automatisches System haben wollen, bestehen andere Mitgliedsstaaten auf Sicherheitsklausel etwa in Form einer Obergrenze, um die Aufnahmeanzahl von Asylbewerbern von vornherein zu begrenzen. Die maltesische Ratspräsidentschaft hofft hier, noch bis Ende Juni 2017, einen breiten Konsens über die wesentlichen Elemente eines solchen Solidaritätsmechanismus herzustellen.


Deutlich langsamer kommen die Beratungen zur Asylverfahrensverordnung voran - sowohl im Europäischen Parlament als auch im Ministerrat. Dies dürfte einerseits an der Komplexität der Verordnung liegen sowie an den vielen Querschnittsthemen, die in der Verordnung zusammengeführt werden müssen.
Klar ist damit auch, dass die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems auch noch die kommenden Ratspräsidentschaft von Estland beschäftigen wird.

 

Die Stellungnahme der christlichen Organisationen zum 2. Asylpaket finden Sie in englischer Sprache hier:

http://ekd.be/2ppc9TH

              

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