Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel Europa - Informationen Nr. 154
Was die EU für Syriens Zukunft tun will
Valentin Wendebourg (Sondervikar)
Am 14. März 2017 hat die Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, zusammen mit der Europäischen Kommission eine gemeinsame Mitteilung zu einer neuen Syrien-Strategie der EU vorgelegt. Die EU bezieht darin eine klare Position, welchen Beitrag sie in Zukunft zur Beilegung des Konflikts in Syrien leisten will. Diese Positionsbestimmung diente u.a. als Grundlage für die Gespräche auf der Syrien-Konferenz ,Supporting the Future of Syria and the Region' am 5. April 2017 in Brüssel.
Bereits im Oktober 2015 und 2016 hatte der Rat der EU Schlussfolgerungen veröffentlicht, die zu einer Beendigung des Leidens der Zivilbevölkerung und der Belagerung der Städte aufriefen. Darüber hinaus hat der Rat im Mai 2015 eine Sicherheitsstrategie zum Umgang mit dem IS in Syrien und dem Irak verabschiedet, die im Mai 2016 den Entwicklungen angepasst wurde.
Eine neue Syrien-Strategie hatte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bereits in seiner Rede zur Lage der Europäischen Union vor dem Europäischen Parlament im September 2016 angekündigt. Daran anknüpfend besteht das Ziel der gemeinsamen Erklärung vom 14. März 2017 darin, dass die EU im Syrienkonflikt stärkere Verantwortung übernimmt. Als ihr strategisches Ziel werden die Einheit und territoriale Integrität Syriens ("Whole of Syria"-Strategie) sowie der Aufbau eines demokratischen Rechtsstaates unter besonderer Berücksichtigung des Schutzes des multireligiösen und multikulturellen Zusammenlebens genannt. Hierfür sollen funktionierende staatliche Strukturen mit einem gemeinsamen Sicherheitsapparat und einer gemeinsamen nationalen Armee etabliert werden.
Der Krieg müsse schnellst möglich unter Vermittlung des UN-Sondergesandten beendet werden. Zugleich unterstützt die EU gemäß der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrates und des "Genfer Kommuniqués" (2012) die syrische Opposition, die durch das "High Negotiations Commitee" (HNC) vertreten wird. Ein Aussöhnungsprozess soll das Land wieder vereinen und zugleich Kriegsverbrecher zur Rechenschaft ziehen. Voraussetzung hierfür sind u.a. die Dokumentation begangener Kriegsverbrechen sowie die Identifikation und Auflistung verschwundener Personen, deren Angehörige in Aufarbeitungsprozessen seitens der EU juristisch unterstützt werden sollen.
Neben der Unterstützung der Verhandlungen mit den zentralen politischen Akteuren auf internationaler Ebene wie Russland und Iran muss demnach ein lokaler Dialog der Konfliktparteien vor Ort in Syrien beginnen. Solange das syrische Regime gewaltsam gegen Zivilisten vorgeht, werde die EU an ihren Sanktionen hiergegen festhalten.
Um den Prozess der Aussöhnung und die Entwicklung eines demokratischen Staatswesens wirksam zu gestalten, sagt die EU zu, den Aufbau einer Zivilgesellschaft sowie die Einrichtung politischer Strukturen zu fördern, welche den Willen der syrischen Bevölkerung möglichst umfassend abbilden sollen. Für den Wiederaufbau des Landes sind demnach in erster Linie die konflikttreibenden Parteien finanziell zur Verantwortung zu ziehen. Um dringend benötigte Investitionen zu erreichen, wollen EU, UN und Weltbank gemeinsam einen Wiederaufbauplan erstellen und erste Anschubfinanzierungen gewährleisten. Der EU-Regional Trust Fund, der in Reaktion auf die Syrien Krise ins Leben gerufen worden war, soll hierbei eine wichtige Rolle spielen.
Um die Sicherheit in Syrien in der ersten Phase nach Beendigung des Konflikts zu verbessern, schlägt die EU u.a. die Entsendung von Minenräumern, die Unterstützung von Demilitarisierungsprojekten und die Vernichtung von chemischen und anderen Waffen vor. Entwickelt werden sollen mit Hilfe der EU zudem grundlegende Infrastrukturprojekte wie das Gesundheitssystem oder die Wasser- und Energieversorgung. Darüber hinaus bietet die EU an, die Ausarbeitung einer neuen Verfassung, die Abhaltung demokratischer Wahlen und die Restrukturierung eines funktionierenden Wirtschaftssystems zu unterstützen.
In der Abschlusserklärung der Konferenz zur Zukunft Syriens und der Region, die unter dem Vorsitz der Europäischen Union, Deutschlands, Katars, Kuwaits, Norwegens, des Vereinigten Königreiches und der Vereinten Nationen am 4./5. April 2017 in Brüssel stattfand, sind zum Wiederaufbau Syriens für 2017 5,6 Milliarden Euro Finanzhilfen von 70 teilnehmenden Staaten und Organisationen zugesagt worden, wobei Deutschland und die Europäische Kommission mit jeweils knapp 1,3 Milliarden Euro die höchsten Finanzhilfen angekündigt haben. Im Zeitraum 2018 bis 2020 sollen weitere 3,47 Milliarden Euro folgen. Darüber hinaus wurden von der Europäischen Investment Bank, der Europäischen Bank für Wiederaubau und Entwicklung, der islamischen Entwicklungsbank und der Weltbank Darlehen in Höhe von 27,9 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.
Die Abschlusserklärung zur Syrienkonferenz finden Sie hier:
Die Gemeinsame Mitteilung der Außenbeauftragten finden Sie hier: