Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel Europa -Informationen Nr. 156

Wirtschaft und Finanzen: Erste Vorschläge für das endgültige Mehrwertsteuersystem

Julia Maria Eichler

Am 04. Oktober 2017 hat die Europäische Kommission mehrere Vorschläge zur Reform der EU-Mehrwertsteuervorschriften veröffentlicht. Das Übergangssystem, das mit der derzeit gültigen Mehrwertsteuerrichtlinie geschaffen wurde und nicht nur komplex, sondern auch betrugsanfällig ist, soll damit endgültig abgelöst werden.

Bereits im April 2016 hatte die Kommission in einem Aktionsplan den Weg zu einem endgültigen europäischen Mehrwertsteuerraum vorgestellt und zu einzelnen Aspekten Anfang 2017 öffentliche Konsultationen durchgeführt (siehe EKD Europa-Informationen Nr. 154).

Die neuen Vorschläge sehen die Eckpunkte eines endgültigen Mehrwertsteuersystems vor, in dem die grenzüberschreitende Lieferung von Gegenständen in gleicher Weise besteuert werden soll, wie der Verkauf von Waren innerhalb desselben Mitgliedstaates.

In dem neuen und endgültigen EU-Mehrwertsteuersystem soll nach dem Willen der EU-Kommission die Regelung für den grenzüberschreitenden Warenhandel zwischen Unternehmen durch eine einzige für Mehrwertsteuerzwecke im Bestimmungsmitgliedstaat steuerpflichtige Lieferung von Gegenständen ersetzt werden. Der endgültige Mehrwertsteuerbetrag würde damit zukünftig an den Mitgliedstaat des Endverbrauchers und nach dem dort geltenden Satz entrichtet werden müssen. Mehrwertsteuerschuldner wird dann in der Regel der Leistungserbringer sein.

Eine zentrale Anlaufstelle soll die Abführung der Mehrwertsteuer für grenzüberschreitend tätige Unternehmen vereinfachen.  Die Unternehmen sollen in einem einzigen Online-Portal in ihrer eigenen Sprache und nach den gleichen Regeln und administrativen Mustern wie in ihrem Heimatland Erklärungen abgeben und Zahlungen durchführen können. Bei grenzüberschreitenden Verkäufen würde die Mehrwertsteuer von der Steuerbehörde des Ursprungslands eingezogen und an das Land überwiesen, in dem die Gegenstände oder Dienstleistungen letztendlich verbraucht werden. Auch die Vorschriften für die Rechnungslegung sollen vereinfacht werden.
Eine Ausnahme von der Steuerschuldnerschaft des Leistungserbringers ergibt nach den Vorschlägen der Kommission dann, wenn der Erwerber ein „zertifizierter Steuerpflichtiger“ ist.

Hierunter sind vertrauenswürdige Unternehmen zu verstehen, die von einfacheren und zeitsparenden Vorschriften profitieren sollen. Diese können z.B. von der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft profitieren, d. h. der Erwerber und nicht der Leistungserbringer schuldet die Mehrwertsteuer, was in der Praxis zu einer ähnlichen Situation wie derzeit im Rahmen der Übergangsregelung führt. Mit diesem Status soll ein schrittweiser Übergang gewährleistet werden und gleichzeitig gewisse Vereinfachungen, die betrugsanfällig sind, auf zuverlässige Steuerzahler begrenzt werden.

Zusätzlich schlägt die Kommission Übergangsmaßnahmen vor, die ab 2019 zur Anwendung kommen sollen und vom Rat gefordert worden waren. Diese Übergangsmaßnahmen sollen die Lösung mehrwertsteuerrechtlich komplexer Sonderkonstellationen vereinfachen und betreffen z.B.  sog. Konsignationslager. Verbringt ein Unternehmen Gegenstände in ein Warenlager in einen Mitgliedstaat, in dem es nicht ansässig ist (sog. Konsignationslager), um sie zu einem späteren Zeitpunkt an einen bereits bekannten Erwerber vor Ort zu verkaufen, führt dies derzeit zu einer mehrwertsteuerrechtlichen Dreiteilung. Es werden unterschieden: eine innergemeinschaftliche Lieferung, ein innergemeinschaftlicher Erwerb und eine Lieferung im Inland. Die Kommission möchte zukünftig, dass die Konsignationslagerregelung als einzige steuerfreie Lieferung im Abgangsmitgliedstaat und als innergemeinschaftlicher Erwerb in dem Mitgliedstaat anzusehen ist, in dem sich das Lager befindet, sofern der Umsatz zwischen zwei zertifizierten Steuerpflichtigen stattfindet.

Auch bei Reihengeschäfte, bei dem mehrere Unternehmen über denselben Gegenstand ein Umsatzgeschäft abschließen, aber nur eine physische Lieferung stattfindet, soll die Rechtssicherheit erhöht werden. Hierfür werden Fallgruppen für die Frage festgelegt, welche Lieferung die innergemeinschaftliche Beförderung der Gegenstände zuzurechnen ist und damit in den Genuss der für innergemeinschaftliche Lieferung vorgesehenen Steuerbefreiungen kommt.

Um den Steuerbehörden und Unternehmen Zeit zur Anpassung zu geben, plant die Kommission die Umstellung des Mehrwertsteuersystems in mehreren Schritten. Der erste wurde mit den Vorschlägen eingeläutet. 2018 soll dann ein Vorschlag zur Änderung der gesamten Mehrwertsteuerrichtlinie auf technischer Ebene folgen, damit die heute vorgeschlagenen endgültigen Mehrwertsteuerregelungen reibungslos umgesetzt werden können. Ein zweiter Gesetzgebungsschritt würde die neue Mehrwertsteuerbehandlung auf alle grenzübergreifenden Lieferungen ausweiten.  Vor diesem zweiten Schritt will die Kommission aber eine Evaluierung der Umsetzung der Vorschläge des ersten Schrittes durchführen, die fünf Jahre nach Inkrafttreten vorgesehen ist. Die Überarbeitung des Mehrwertsteuersystems wird also langwierig, zumal im Rat Änderungen im Bereich der Mehrwertsteuer nur einstimmig beschlossen werden können. Das Europäische Parlament wird ebenso wie der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss lediglich angehört.

Die Mitteilung der Europäischen Kommission finden Sie in Englisch hier: http://www.ekd.eu/156-WuF-VfMwstS-Link1

Die einzelnen Gesetzesvorschläge finden Sie hier: http://www.ekd.eu/156-WuF-VfMwstS-Link2 

 

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