Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel Europa -Informationen Nr. 156
Jugend, Bildung und Kultur: Europäischer Solidaritätskorps weiter im Verhandlungsstatus
Doris Klingenhagen (Referentin für Jugend- und Bildungspolitik)
Am 30. Mai 2017 hat die EU-Kommission ihren Vorschlag veröffentlicht, wie das neue Programm zum Europäischen Solidaritätskorps (ESC) ab 2018 umgesetzt werden soll. (siehe EKD-Europa-Informationen Nr. 155). Die aktuellen Verhandlungen nehmen nun mehr Zeit in Anspruch als geplant. Mit einem Programmstart kann daher erst im Sommer 2018 gerechnet werden. Im Europäischen Parlament sind zwei Ausschüsse für den ESC zuständig: der Bildungs- und Jugendausschuss für den Freiwilligenstrang und der Beschäftigungs- und Sozialausschuss für den Beschäftigungsstrang. Aktuell herrscht im EU-Parlament kein Konsens darüber, wie mit dem Beschäftigungsstrang, der Arbeitsstellen und Praktika beinhaltet, verfahren werden soll.
Die deutsche Berichterstatterin zum ESC, Helga Trüpel (Bündnis 90/ DIE GRÜNEN) fordert die komplette Herausnahme des Beschäftigungsstrangs aus dem ESC. Durch die Streichung bekomme der Solidaritätsgedanke, der mit dem ESC unter jungen Menschen gestärkt werden soll, einen deutlicheren Ausdruck. Sie hält die vorgeschlagene Abgrenzung der zwei Stränge auch für notwendig, um die Vermischung von Freiwilligentätigkeiten und Beschäftigungsmöglichkeiten zu verhindern und ein Einfallstor für prekäre Beschäftigungen zu vermeiden. Die Herausnahme des Beschäftigungsstrangs schütze sowohl die Teilnehmenden als auch die Qualität des Programms als Ganzes. Der ESC solle kein Programm werden, das primär Beschäftigung fördere, außerdem sei der Beschäftigungsstrang keine Antwort auf die Jugendarbeitslosigkeit. „Dafür“, so Helga Trüpel, „existieren bereits Initiativen wie die EU-Jugendgarantie oder die Jugendbeschäftigungsinitiative, die genau zu diesem Ziel ins Leben gerufen wurden. Diese gilt es auszubauen und nicht durch ein zusätzliches Programm zu entwerten.“ Außerdem ist sie nicht davon überzeugt, dass der Solidaritätsgedanke mit einer Arbeit in einem profitorientierten Unternehmen vereinbar sei. Weiter fordert sie in ihrem Bericht die bisherigen Partnerländer im Europäischen Freiwilligendienst zu berücksichtigen und den Organisationen und Trägern von Freiwilligendiensten, die bisher u.a. den Qualitätsrahmen gesichert haben, eine entscheidende Rolle zuzuweisen. Insbesondere junge Menschen mit Förderbedarfen, die das Programm ansprechen möchte, benötigten ein gutes Unterstützungssystem. Damit folgt sie den Argumenten, die das EKD-Büro und die aej gemeinsam mit anderen kirchlichen und jugendverbandlichen Organisationen in Stellungnahmen und Änderungsanträgen gegenüber den zuständigen Ausschüssen vorgebracht hatten. Im Jugend- und Bildungsausschuss findet der Vorschlag von Helga Trüpel parteiübergreifend Zustimmung.
Der Beschäftigungs- und Sozialausschuss mit dem italienischen Berichterstatter, Brando Benifei (S&D Fraktion) will jedoch an dem Beschäftigungsstrang festhalten. Seiner Meinung nach müsse angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit in der EU jede Möglichkeit genutzt werden, Job-Aussichten für junge Menschen zu verbessern. Der Programmentwurf müsse so verändert werden, dass die beiden Stränge klar voneinander getrennt seinen, die Gefahren von prekärer Beschäftigung minimiert und eine Beschäftigung ausschließlich in gemeinnützigen Organisationen möglich sei. Beide Ausschüsse haben Mitbestimmungsrechte in der Ausgestaltung des Gesetzentwurfs und der Fortschritt der Verhandlungen hängt nun entscheidend von ihrer Einigung ab.
Unterdessen hat sich der EU-Jugendministerrat am 20. November 2017 auf eine Position zum Rechtsrahmen des ESC geeinigt. In vielen Punkten besteht Einigkeit zwischen der EU-Kommission und dem Jugendministerrat. Der Rat ist dafür, dass der ESC sowohl einen Beschäftigungs- als auch einen Freiwilligenstrang enthalten sollte. Der Beschäftigungsstrang dürfe jedoch nicht mehr als 20 Prozent des Budgets beanspruchen und den Mitgliedstaaten sollte erlaubt sein, das Budget zu 100 Prozent für Freiwilligentätigkeiten zu nutzen. Die europäischen Bildungs- und Jugendminister stimmten ferner dafür, dass auch nationale Aktivitäten im Rahmen des ESC- Programms mit einem Umfang von max. 20 Prozent umgesetzt werden. Dafür sei jedoch ein europäischer Mehrwert oder ein Europabezug nötig. Die Programmverwaltung solle durch die Nationalen Agenturen Erasmus+ JUGEND IN AKTION umgesetzt und die vorhandenen Verfahren in Erasmus+ übernommen werden. Der Rat sieht zudem die Einbeziehung von jungen Menschen mit erhöhtem Förderbedarf als eine Priorität des Programms an. Hierzu solle der Rechtsvorschlag zusätzliche Trainings sowie Mentoring mit spezifischer finanzieller Unterstützung vorsehen. Zudem adressiert der Rat Punkte, die im Vorschlag der EU-Kommission strittig sind: so z.B. die Fokussierung auf Solidaritätsaktivitäten ohne festzulegen, in welchen Bereichen diese stattfinden sollten, z.B. ausschließlich im Non-profit Sektor. Daneben geht es um die Frage, ob die Verwendung von maximal 20 Prozent des Gesamtbudgets für nationale Aktivitäten Bestand haben kann. Denn bisher war der europäische Freiwilligendienst auf transnationale Einsätze ausgerichtet. Schließlich geht es um den geographische Rahmen, der im ESC nur auf EU-Mitgliedsländer beschränkt wurde, jedoch mit den geförderten Ländern in Erasmus+ JUGEND IN AKTION übereinstimmen sollte, um den europäischen Freiwilligendienst, bzw. Solidaritätseinsätze nicht in zwei unterschiedlichen Programmen zu verorten. Die EU-Kommission hat bereits eine konstruktive Prüfung der letzten Forderung angekündigt. Mit den Partnerländern würde das Gesamtbudget des ESC von 341 Mio. auf 433 Mio. erhöht werden. Die zusätzlichen Gelder kommen aus dem Programm Erasmus+ JUGEND IN AKTION und werden dort der Leitaktion Mobilitäten für Freiwilligendienste mit nicht EU-Ländern, sogenannten Partnerländern, entnommen. Die Position des Rates sieht nicht vor, dass es für das Programm „frisches Geld“ gibt. Dies führte dazu, dass der Beschluss nicht einstimmig angenommen wurde. So hat Italien den Beschluss abgelehnt. Der weitere Zeitplan sieht vor, dass die Abstimmung im Parlament in beiden Ausschüssen im Januar 2018 und im Plenum dann im Februar 2018 erfolgt. Daran schließen sich die Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Kommission, dem Jugendministerrat und dem Europäischem Parlament an.
Nichts desto trotz wurde das einjährige Bestehen des ESC am 7. Dezember 2017 von der EU-Kommission mit den aktuellen Zahlen gefeiert: 42.745 junge Menschen seien im ESC-Portal bisher registriert. 2166 davon hätten im Rahmen des ESC einen Einsatz geleistet und dies in einer von 1434 Organisationen. In diesen Zahlen sind die jungen Menschen und Organisationen enthalten, die im Rahmen von Erasmus+ JUGEND IN AKTION den europäischen Freiwilligendienst absolvieren. Günter Oettinger als beteiligter EU-Kommissar schaute zuversichtlich in die Zukunft: „Im ESC werden junge Menschen in wichtigen Projekten aktiv sein, dabei europäische Freundschaften schließen und einen wichtigen Dienst für unsere Gesellschaften leisten“.
Hier finden Sie den Bericht für den CULT-Ausschuss: http://www.ekd.eu/156-JBuK-EUSwiV-PDF
Hier finden Sie den Beschluss des Jugendministerrates (in Englisch): http://www.ekd.eu/156-JBuK-EUSwiV-PDF2