Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel Europa -Informationen Nr. 156
EuGH: Umsiedlungsentscheidung war rechtens
Julia Maria Eichler
Am 26. September 2017 endete offiziell die gesetzte Frist für die Notfallumsiedlung von Asylbewerbern zugunsten von Italien und Griechenland. Drei Wochen zuvor, am 06. September 2017, hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Entscheidung des Ministerrates aus dem September 2015 für rechtmäßig erklärt und sowohl die Klage Ungarns (C-647/15) als auch der Slowakei (C-643/15) gegen die verpflichtende Umsiedlung von Asylbewerbern abgewiesen (siehe EKD Europa-Informationen Nr. 151).
Die Mitgliedstaaten hatten im September 2015 gegen die Stimmen Ungarns, Rumäniens, der Slowakei und der Tschechischen Republik die Notfallumsiedlung von 120.000 Asylbewerbern aus Italien und Griechenland innerhalb von zwei Jahren beschlossen. Dagegen hatten beide Länder geklagt und u.a. geltend gemacht, dass der Beschluss auf eine falsche Rechtsgrundlage gestützt, mit Verfahrensfehlern behaftet und weder geeignet noch erforderlich gewesen sei.
Art. 78 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), auf den der Beschluss basiert, ermögliche es dem Rat, sämtliche vorläufige Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig seien, um wirksam und rasch auf eine durch den plötzlichen Zustrom von Vertriebenen geprägte Notlage zu reagieren, so der Gerichtshof.
Dabei könne auch von bestehenden Gesetzgebungsakten, wie in diesem Fall der Dublin-Verordnung, abgewichen werden, solange die beschlossene Maßnahme sachlich und zeitlich begrenzt sei und keine dauerhafte Änderung an dem Gesetzgebungsakt erfolge. Eine solche sachliche und zeitliche Begrenzung habe mit der Umsiedlung von 120.000 Asylbewerbern innerhalb von zwei Jahren vorgelegen.
Beim Zustandekommen des Beschlusses hätte auch nicht das ordentliche Gesetzgebungsverfahren angewandt werden müssen. Art. 78 Abs. 3 AEUV sehe lediglich die Anhörung des Europäischen Parlaments vor. Dieses sei ordnungsgemäß auch über Änderungen unterrichtet worden.
Auch der Vortrag der Kläger, wonach die Maßnahme gegen die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Juni 2015 verstoßen hätte, wonach die Mitgliedstaaten über die Verteilung von Asylbewerbern einvernehmlich entscheiden sollten, entkräftete der EuGH. Denn diese Schlussfolgerungen hätten sich einerseits auf eine bereits zuvor getroffene Notfallumsiedlungsmaßnahme bezogen und andererseits könne der Europäische Rat weder das Initiativrecht der Kommission beschränken noch die Macht des Rates Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit anzunehmen.
Der EuGH betont zudem, dass der Beschluss auch nicht offensichtlich ungeeignet gewesen wäre, Griechenland und Italien zu entlasten. Ausschlaggebend für diese Einschätzung sei keine rückschauende Beurteilung der Wirksamkeit, sondern die Informationen die zum Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme zur Verfügung standen. Dass eine wesentlich geringere Zahl an Asylbewerbern umgesiedelt worden sei als erwartet, habe an mehreren Faktoren gelegen. Darunter, so der EuGH ausdrücklich, auch an der mangelnden Kooperation bestimmter Mitgliedstaaten.
Die Slowakei sagte nach dem Urteil zu, ihrer Verpflichtung aus der Umsiedlungsentscheidung nachzukommen. Ungarn wies das Urteil zurück. Es sei empörend und verantwortungslos.
Die Kommission begrüßte das Urteil und betonte, dass die Notfallumsiedlung zwar nur für alle bis zum 26. September 2017 ankommenden Asylbewerber gelte, die die Voraussetzungen hierfür erfüllten, die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, diese aufzunehmen, aber erst ende, wenn alle diese Asylbewerber umgesiedelt worden seien. Anfang Dezember 2017 sind aus Griechenland und Italien etwas über 32.000 Menschen in anderen EU-Mitgliedstaaten aufgenommen worden. Die Kommission geht derzeit davon aus, dass in Griechenland noch 500 weitere Asylbewerber und in Italien 2.350 auf ihre Umsiedlung warten.
Gegen Ungarn, Polen und die Tschechische Republik hat die Europäische Kommission zwischenzeitlich ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil Polen und Ungarn gar keine Asylbewerber im Rahmen der Umverteilung aufgenommen haben, während die Tschechische Republik seit August 2016 keine Umsiedlungen mehr vorgenommen hat. Der EuGH wird also erneut über die Notfallumsiedlungsentscheidung urteilen müssen.
Das Urteil des EuGH finden Sie hier: http://www.ekd.eu/156-AuM-Relocation-Link