Europa - Informationen Nr. 159
Asyl- und Migrationspolitik: Abschieben um jeden Preis - EU-Kommission schlägt Überarbeitung der Rückführungsrichtlinie vor
Eike Wiesner
Die Europäische Kommission hat am 12. September 2018 einen Änderungsvorschlag für die Rückführungsrichtlinie vorgestellt. Der Rechtsakt soll nach Angaben der Kommission dafür sorgen, dass die effektive Rückführung irregulärer Migranten verstärkt und eine kohärentere Rückführungspolitik auf europäischer Ebene etabliert wird. Darunter fallen strengere Fristen bei den Rechtsbehelfen und mehr Möglichkeiten zur Inhaftierung von abgelehnten Asylbewerbern.
Der Vorschlag ist Teil eines Maßnahmenpakets, das die Kommission vorgelegt hat, um den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 28. Juni 2018 nachzu-kommen. Dort hieß es, dass die effektive Rückführung irregulärer Migranten deutlich verstärkt werden müsse. Überdies ist der Vorschlag laut Kommission eine Reaktion auf die sinkende Rückkehrquote von 45, 8 Prozent im Jahr 2016 auf 36,6 Prozent im Jahr 2017. Die Kommission nennt hierbei zwei primäre Herausforderungen, die von den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union gleichermaßen bewältigt werden müssten: Die nationale Umsetzungspraxis des derzeit geltenden EU-Gesetzesrahmens unterscheide sich teilweise erheblich von Mitgliedsstaat zu Mitgliedstaat und die Effektivität der Rückführungspolitik hänge im hohen Maße von der Kooperationsbereitschaft der Herkunftsländer ab.
Ziel der neuen Rückführungsrichtlinie soll es nun sein, die Effizienz des Rückkehrverfahrens in den Mitgliedstaaten einschließlich seiner Verknüpfung mit dem Abschluss des Asylverfahrens kohärenter zu gestalten. So soll künftig unmittelbar nach Erlass einer negativen Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz eine Rückkehrentscheidung erlassen werden. Dies soll zu einer Beschleunigung des Verfahrens beitragen.
Laut Richtlinien-Entwurf dürfen die Mitgliedstaaten im Rahmen des Rückkehrverfahrens Drittstaatsangehörige in Haft nehmen, sofern Fluchtgefahr besteht, die betreffenden Drittstaatsangehörigen die Vorbereitung oder das Abschiebungsverfahren umgehen oder behindern oder eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellen. Für die Feststellung, ob die Gefahr des Untertauchens oder der unerlaubten Sekundärmigration besteht, werden laut Entwurf im Rahmen einer Gesamtprüfung der besonderen Umstände des Einzelfalls unionsweit geltende objektive Kriterien etabliert. Darunter fallen unter anderem die Kriterien, dass Drittstaatsangehörige über unzureichende Finanzmittel verfügen oder nicht in allen Phasen des Rückkehrverfahrens mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zusammenarbeiten. Die Entscheidung, ob eine Fluchtgefahr besteht, soll jedoch weiterhin bei den Mitgliedstaaten liegen.
Die Haftdauer soll dabei laut Richtlinien-Entwurf (RL-Entwurf) mindestens drei und höchstens sechs Monate betragen, kann jedoch bis zu zwölf Monate verlängert werden, sofern mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen besteht oder sich Verzögerungen bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten ergeben.
Die Mitgliedstaaten sind zudem aufgefordert, den Drittstaatsangehörigen eine Frist von höchstens fünf Tagen für die Einlegung von Rechtsbehelfen gegen Rückkehrentscheidungen einzuräumen. Die Rechtsbehelfe dürften überdies nur noch vor einer einzigen Gerichtinstanz eingelegt werden.
Darüber hinaus beinhaltet der Vorschlag die Einführung einer Kooperationspflicht für Drittstaatsangehörige im Zuge des Rückkehrverfahrens, Änderungen bei der freiwilligen Ausreise und die Möglichkeit für Mitgliedstaaten, ein (Wieder)einreiseverbot zu verhängen, ohne eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ein illegal aufhältiger Drittstaatsange-höriger erstmals bei der Ausreise aus der Union entdeckt wird.
Der neue Entwurf einer Rückführungsrichtlinie der Kommission zielt somit in erster Linie darauf ab, die Rückkehrquote zu erhöhen und das Rückkehrmanagement der Mitgliedstaaten effizienter zu gestalten. Die Annahme des Vorschlags würde dazu die Hürden für eine Inhaftierung von Asyl-bewerbern deutlich verringern. Im schlimmsten Fall könnten die betroffenen Personen bis zu 18 Monate inhaftiert bleiben. Durch die verkürzten Fristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen würde auch der administrative Druck auf Personen steigen, die sich im Rückkehrverfahren befinden und ein effektiver Rechtsschutz faktisch nicht mehr existieren. Aus kirchlicher Sicht ist der Vorschlag daher höchst problematisch.
Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl kritisierten daher auch den Inhalt des Entwurfs als einen „schweren Angriff auf die Rechtsgrundlagen der EU.“ EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos betonte dagegen, dass diejenigen, die kein Bleiberecht haben, „sicher und unter voller Achtung ihrer Grundrechte zurückgeführt werden.“ Der Europäische Rat hatte bereits in seinen Schlussfolgerungen vom 18. Oktober 2018 gefordert, die Verabschiedung der Rückfüh-rungsrichtlinie prioritär zu behandeln. Zum jetzigen Zeitpunkt bleibt jedoch weiterhin unklar, wann, ob und in welcher Form der Vorschlag der Kommission durch das EU-Parlament und den Rat der EU verabschiedet wird. Da es sich um eine Richtlinie handelt, bedarf es zudem der Umsetzung der Mitgliedstaaten binnen einer bestimmten Frist, wodurch sich der Zeitplan zur kohärenten Umsetzung einer europäischen Rückführungspolitik ebenfalls verzögern kann.
Einen Link zum Verordnungsentwurf finden Sie hier: http://bit.ly/ekd-NL-159_AuM-1