Europa - Informationen Nr. 159
Mehr Schein als Sein? - Eine neue Asylagentur für die EU
Eike Wiesner
Die EU-Kommission möchte noch vor Ende ihrer Amtszeit das bisher bestehende Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) durch eine vollwertige Asylagentur der Europäischen Union ersetzen. Dafür stellte sie am 12. September 2018 eine entsprechende Verordnung vor und charakterisierte diese als wichtigen Bestandteil eines effizienteren Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Die EU-Asylagentur soll in Zusammenarbeit mit anderen EU-Agenturen, insbesondere mit dem Europäischen Grenz- und Küstenschutz (Frontex), technische und operative Unterstützung für unter Druck stehende Mitgliedstaaten leisten. Am 18. Oktober 2018 hatten sich obendrein die europäischen Staats- und Regierungschefs auf dem EU-Gipfel auf eine vorrangige Prüfung des Verordnungsentwurfs geeinigt.
Der Verordnungs-Entwurf der Kommission strebt die Harmonisierung und Verbesserung des Migrationsmanagements der Mitgliedstaaten an. Die dafür vorgesehenen Unterstützungsmechanismen der EU-Asylagentur inkludieren unter anderem die Entsendung von Asylunterstützungsteams in Hotspots oder in „kontrollierte Zentren“ sowie die Mitwirkung am gesamten administrativen Asyl- und Dublin- Verfahren.
Die Unterstützungsteams können laut dem Entwurf dann entsandt werden, wenn die Mitgliedstaaten unter „unverhältnismäßigen Druck“ stehen und Unterstützung für die Migrationssteuerung anfordern oder wenn die EU-Asylagentur im Einvernehmen mit dem betroffenen Mitgliedstaat die Entsendung eines Unterstützungsteams initiiert.
Deren Aufgaben umfassen die Identifizierung und Registrierung von Drittstaatsangehörigen, die Bereitstellung von Erstinformationen über das Verfahren, die Unterstützung bei der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz und bei der Umsetzung der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus der Dublin-Verordnung, die Bereitstellung logistischer und sonstiger Unterstützung für unabhängige Rechtsmittelinstanzen sowie die Vorbereitung administrativer Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz.
Im Vergleich zu EASO würde die Asylagentur damit operative und technische Unterstützung während des gesamten administrativen Verfahrens für internationalen Schutz und des Dublin-Verfahrens leisten. Dazu gehört auch die Unterstützung bei der Durchführung der Interviews zur Bestimmung des Schutzstatus und zur Verteilung der Antragsteller.
Darüber hinaus soll die Rolle der Agentur in Bezug auf die Bereitstellung von Herkunftslandinformationen gestärkt werden. So wird die Asylagentur laut Kommission zu einem Informationszentrum ausgebaut, in dem alle relevanten Informationsquellen über Asylsituationen gebündelt und mit den Mitgliedstaaten vernetzt werden. Die regelmäßige Überprüfung der Lage in den Drittstaaten soll bei der Festlegung einer gemeinsamen EU-Liste sicherer Herkunftsstaaten assistieren.
Die Kommission erhofft sich durch die neuen Unterstützungsmechanismen, die Qualität im Asylverfahren zu verbessern, Verfahrensstandards zu vereinheitlichen und die Sekundärmigration zu verhindern. Tatsächlich könnte eine konsequente Umsetzung der Verordnung erstmals dazu beitragen, dass EU-weit die gleichen Beurteilungsmaßstäbe durch die nationalen Behörden angewendet werden. Damit wäre ein (erster) Schritt hin zu einer einheitlichen Schutzgewährung in den Mitgliedstaaten getan, soweit sich die nationalen Behörden an einheitlichen Beurteilungsmaßstäben und Herkunftslandinformationen orientieren, wobei letztere um Einschätzungen von NGOs erweitert werden müssten.
Jedoch betont der Vorschlag der Kommission, dass die letzte Entscheidungskompetenz bei Anträgen auf internationalen Schutz weiterhin bei den Mitgliedstaaten und ihren zuständigen Behörden liegen solle. Insofern würde der Harmonisierungseffekt in erster Linie von dem Gestaltungswillen der Mitgliedstaaten abhängen. Solange es allerdings an einem echten gemeinsamen europäischen Asylsystem (GEAS) fehlt, das gemeinsame Verfahrens- und Schutzstandards etabliert und dementsprechend die Anerkennungs- und Schutzquoten für Schutzsuchende in den EU-Mitgliedstaaten signifikant variieren, bleibt unklar, wie die Asylagentur mit ihren weiterhin begrenzten Möglichkeiten die bestehenden Funktions- und Strukturdefizite auffangen und ausgleichen soll.
Der Europäische Rat hat in seinen letzten Schlussfolgerungen vom 18. Oktober 2018 nochmals angeregt, den Vorschlag für die Asylagentur vorrangig zu prüfen
Ein weiteres Hindernis für den Abschluss der Verhandlungen über den Verordnungsentwurf im Rat bildet jedoch die Forderung einiger Mitgliedstaaten, die Verordnung nur im Rahmen eines ganzheitlichen Maßnahmenpakets für den Migrationsbereich zu verabschieden. Besonders Ungarn und Italien lehnen eine in ihren Augen zu große Einmischung der neuen EU-Asylagentur ab. Auch die österreichische Ratspräsidentschaft hat wenig unternommen, das Dossier voranzutreiben.
Einen Link zum Änderungsvorschlag finden Sie in englischer Sprache hier: http://bit.ly/ekd-NL-159_AuM-2