Europa - Informationen Nr. 159
(K)ein Plan für die Jugend – Die neue EU-Jugendstrategie
Dorothee Ammermann (Referentin für Jugend- und Bildungspolitik)
Am 26. November 2018 hat der Rat der Europäischen Union die neue EU-Jugendstrategie für den Zeitraum 2019-2027 verabschiedet. Es handelt sich hierbei um die zweite EU-Jugendstrategie. Sie soll dem Zweck dienen, das Thema Jugend als Längs- und Querschnittsthema zu betrachten und definiert zu diesem Zweck Ziele, Arbeitsprinzipien, Schwerpunkte, Aktionsbereiche und Maßnahmen der europäischen Jugendpolitik.
Zwar hat die Europäische Union beim Thema Jugend grundsätzlich keine eigenen Kompetenzen, jedoch können sich die Mitgliedsstaaten im Rahmen der sogenannten offenen Methode der Koordinierung trotzdem zu verschiedenen Themen abstimmen und zu diesem Zweck nicht bindende Entscheidungen treffen. Seit 2010 koordinieren sich die europäischen Mitgliedsstaaten auf diese Weise auch im Bereich Jugend. Hierzu gab es bislang eine EU-Jugendstrategie mit der Laufzeit 2010-2018. Diese diente vor allem dazu, die Sichtbarkeit des Themas Jugend zu erhöhen, Sensibilität für dieses Thema auf der politischen Ebene zu schaffen und eine vertiefte Koordination der Jugendpolitik auf europäischer Ebene anzustreben. Dabei konnte die erste EU-Jugendstrategie große Erfolge verzeichnen, denn die Sichtbarkeit der Themen Jugendarbeit und Jugendpolitik konnte auf europäischer Ebene auf ein nie zuvor dagewesenes Niveau angehoben werden. Dank der EU-Jugendstrategie konnte auch die Relevanz des Themas Jugend für alle Zukunftsfragen der EU verdeutlicht werden. Außerdem machte die erste EU-Jugendstrategie klar, in welch hohem Maße Europa und seine Themen bereits zur Lebenswirklichkeit junger Menschen gehört und verdeutlichte darüber hinaus, dass es gerade deshalb besonders wichtig ist jungen Europäerinnen und Europäer eine Teilhabe an der europapolitischen Willensbildungs- und Entscheidungsfindung zu ermöglichen.
Dementsprechend hoch waren die Erwartungen an die zweite EU-Jugendstrategie, die in diesem Jahr unter Federführung der österreichischen Ratspräsidentschaft erarbeitet wurde. Dabei legte die österreichische Präsidentschaft für die zweite EU-Jugendstrategie einen guten und ambitionierten Vorschlag vor, der auf der Grundlage der bislang erzielten Erfolge eine vertiefte und weitergehende 37
Zusammenarbeit der europäi-schen Mitgliedsstaaten im Bereich Jugend anvisierte. Leider wurden viele der ambitionierten Ideen jedoch im Rahmen der Verhandlungen innerhalb des Europäischen Rates aus dem Vorschlag herausgestrichen, so dass der nun vorliegende Beschluss des Rates zur zweiten EU-Jugendstrategie eher einem Minimalkonsens zwischen den Mitgliedsstaaten gleicht. Dies ist insbesondere auf Grund der ungewöhnlich langen Laufzeit der zweiten EU-Jugendstrategie von 2019 bis 2027, die sich aus der Anpassung der Laufzeit der EU-Jugendstrategie an die der beiden Förderprogramme im Jugendbereich (Erasmus+ und Europäischer Solidaritätskorps) ergibt, bedauerlich.
Inhaltlich steht die zweite EU-Jugendstrategie im Kontext veränderter gesellschaftspolitischer Rahmenbedingungen, in denen junge Menschen heute aufwachsen. Die EU-Jugendstrategie selbst benennt dabei z.B. Globalisierung, Klimawandel, technologischen Wandel, demografische und sozioökonomische Entwicklungen, Populismus, soziale Ausgrenzung und Fake News sowie eine ungewisse Zukunft, derer viele Jugendliche sich gegenübersehen.
Hieraus ergibt sich auf inhaltlicher Ebene die Notwendigkeit einer weitestgehenden inhaltlichen Neuausrichtung der EU-Jugendstrategie. Diese ergibt sich zudem aus den Lernerfahrungen, die aus der ersten Jugendstrategie gewonnen werden konnten. Zugleich hat aber auch der mangelnde Mut einiger Mitgliedsstaaten bei der Neugestaltung der EU-Jugendstrategie zu wesentlichen inhaltlichen Veränderungen geführt.
Eine der wichtigsten und umfassendsten Änderungen im Hinblick auf die zweite Jugendstrategie dürfte dabei die Anpassung der Aktionsbereiche der Jugendstrategie sein. Diese gliedert sich zukünftig in drei statt bislang acht Aktionsbereiche. Diese lauten: ENGAGE – Stärkung der Teilhaber junger Menschen am demokratischen Miteinander, CONNECT – Freiwilliges Engagement, Lernmobilität, Solidarität und interkulturelles Miteinander und EMPOWER – Kinder- und Jugendarbeit durch mehr Qualität, Innovation und Anerkennung stärken.
Darüber hinaus werden mit der zweiten EU-Jugendstrategie die vormals verbindlichen nationalen Aktionspläne, eines der Herzstücke der ersten EU-Jugendstrategie abgeschafft. Sie werden durch nun nicht mehr verpflichtende „Future national activities planner“ (FNAPS) ersetzt. Diese dienen hauptsächlich dazu, dass sich die Mitgliedsstaaten gegenseitig strukturiert über ihre geplanten Vorhaben im Bereich Jugendpolitik informieren. Zwar ist über die nationalen Aktivitäten hinaus eine freiwillige verstärkte Zusammenarbeit einzelner Mitgliedsstaaten (im Sinne einer Koalition der Willigen) möglich, grundsätzlich wird durch die Umwandlung der nationalen Aktionspläne in die FNAPs jedoch die notwendige Koordination zwischen Jugendpolitik auf nationaler und europäischer Ebene gefährdet. Auch die Formen konkreter Umsetzung der europäischen Jugendstrategie auf nationaler Ebene werden hierdurch unklar. Eine dritte wichtige Änderung betrifft den strukturierten Dialog. Dieser wird im Rahmen der zweiten EU-Jugendstrategie zum „EU Youth Dialogue“ umgewandelt. Allerdings ist bislang relativ unklar, wie und wann zukünftig junge Menschen an (jugend-)politischen Entwicklungen teilhaben können.
Neu in die EU-Jugendstrategie aufgenommen werden die EU-Jugendziele. Hierbei handelt es sich um elf Zielsetzungen, die im Rahmen des Strukturierten Dialogs von jungen Europäerinnen und Europäern im Sinne einer „Vision der Jugend für Europa“ erarbeitet und im April 2018 auf der zweiten EU-Jugendkonferenz in Sofia beschlossen wurden. Sie beschäftigen sich z.B. mit Themen wie Jugendbeteiligung, Inklusion, Geschlech-tergerechtigkeit, Gesundheit, Bildung, Arbeit und Nachhaltigkeit. Leider wurden diese Jugendziele nun jedoch nicht verbindlich in die zweite EU-Jugendstrategie aufge-nommen. Festgelegt wurde lediglich, die EU-Jugendstrategie solle zur Verwirklichung der Jugendziele beitragen. Dies ist insbesondere deswegen äußerst bedauerlich, da hier der lange Beteiligungsprozess junger Menschen sowie ihre expliziert formulierten Wünsche und Ziele nicht ausreichend wertgeschätzt und berücksichtigt werden.
Als positive Errungenschaft der neuen EU-Jugendstrategie kann hingegen die Entstehung der Stelle eines „EU-Jugendkoordinators“ betrachtet werden. Diese Person soll zukünftig auf der Ebene der europäischen Kommission angesiedelt werden und wird von dort aus für eine institutionen- und politikfeldübergreifende Begleitung des Themas Jugend zuständig sein. Bei der Frage nach der genauen Kompetenzausstattung und Ausgestaltung dieses Postens sind zwar bislang noch viele Fragen offen, grundsätzlich ist diese Entwick-lung jedoch sehr zu begrüßen. Dies ist verbunden mit der Hoffnung, dass Jugendthemen zukünftig in mehr Politikfeldern und Entschei-dungen auf europäischer Ebene eine Rolle spielen.
Im Rahmen der neuen EU-Jugendstrategie soll zudem die Stärkung und Profilierung von Youth Work in Europa vorangetrieben werden, was ebenfalls als positiv zu bewerten ist. Eine neue Youth Work Agenda für Qualität, Innovation und Anerkennung von Jugendarbeit wird ins Auge gefasst. Interessant ist auch der neue EU-Arbeitsplan für die Jugend, der die Aktivitäten der europäischen Zusammenarbeit einschließlich der Schwerpunkte der zukünftigen EU-Ratspräsidentschaften für die nächsten drei Jahre ausweist. Positiv zu bewerten ist außerdem die angestrebte stärkere Verbindung zwischen der EU-Jugendstrategie und den EU-Förderprogrammen im Bereich Jugend, namentlich Erasmus+ und Europäischer Solidaritätskorps.
Insgesamt bleiben im Hinblick auf die Umsetzung der EU-Jugendstrategie 2019-2027 also noch einige Fragen offen, die hoffentlich bald beantwortet werden können. Zudem bleibt zu hoffen, dass auch trotz der hinter den Erwartungen zurück gebliebenen neuen EU-Jugendstrategie das Thema Jugend ein anhaltend hohes Interesse und eine hohe Wertschätzung von Seiten der Mitgliedsstaaten und der Europäischen Union erhält.
Den Text der neuen EU-Jugendstrategie 2019-2027 finden Sie hier: http://bit.ly/ekd-NL-159_JBuK-6