Europa-Informationen, Ausgabe 153, Dezember 2016

Ein britischer Ritter wird Kommissar für die Sicherheitsunion

Julia Maria Eichler

Die Brexit-Entscheidung hat auch in Brüssel ihre Spuren hinterlassen. Seit September 2016 ist Sir Julian King der neue britische EU-Kommissar.


Unmittelbar nachdem klar geworden war, dass die Briten sich in ihrem Referendum für den EU-Austritt entschieden hatten, erklärt Jonathan Hill, der seit 2014 EU-Finanz-Kommissar war, seinen Rücktritt. Er könne nicht so weiter machen, als sei nichts geschehen, hatte der Brite erklärt und seinen Hut genommen.
Sein Nachfolger? Sir Julian King.Sein neues Ressort? Die Sicherheitsunion.
Einen Kommissar für die Sicherheitsunion gab es bisher nicht, dass dies nun ausgerechnet ein britischer Vertreter werden soll, überraschte viele. Denn dass der Kommissionspräsident den scheidenden Briten einen solch wichtigen Posten überlassen würde, hätte wohl kaum einer vermutet.
Als Kommissar für die Sicherheitsunion soll sich King der Terrorismusbekämpfung und der Radikalisierungsprävention widmen und den Informations- und Nachrichtenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten verbessern.


Während der Anhörung im Europäischen Parlament verwies er auf seine eigene Erfahrung mit Terrorismus hin. Als Großbritanniens Botschafter in Paris sei er am Vormittag des 15. Juli 2016 in Nizza gewesen und habe mit eigenen Augen die verheerenden Folgen des Anschlags in der Nacht davor gesehen, der so viele Menschenleben  gefordert und Europa traumatisiert habe. Aus seiner  eigenen Erfahrung in Nordirland wisse er, dass Frieden und die damit verbundene größere Sicherheit nur dann eine Chance haben, wenn sie auf der uneingeschränkten Achtung der Grundrechte beruhe.


Sein Ziel sei es, eine wirksame und nachhaltige Sicherheitsunion zu schaffen. Hierfür müsse sich die EU unablässig auf die Umsetzung vereinbarter Vorschriften  fokussieren, den nationalen Behörden bei der Ermittlung von Durchführungshindernissen helfen, diese beseitigen und gewährleisten, dass die Vorschriften ihre beabsichtigte Wirkung entfalten. Zudem würden die wiederholten Anschläge nicht nur eine umfassende EU-Reaktion verlangen, sondern eine dauerhafte und von allen getragene europäische Sicherheitsstruktur.

Zwei Fragen seien für ihn entscheidend: Wie könne man den gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus und die organisierte Kriminalität intensivieren und ihnen den Nährboden entziehen?
Und wie könne man die eigene Abwehr und Widerstandskraft gegen diese Bedrohungen stärken?
Konkret habe für ihn die Verabschiedung des Vorschlags für eine Richtlinie über die Terrorismusbekämpfung, die noch vor Ende des Jahres gelingen solle, absolute Priorität. Die Kommission werde zudem in den kommenden Monaten Vorschläge darüber, wie man  Terroristen ihre Finanzierungsgrundlage entziehen könne, unterbreiten.
Europols Europäisches Zentrum für die Terrorismusbekämpfung (ECTC) müsse ebenso weiter ausgebaut werden, wie das Europäische Zentrum zur Bekämpfung der Cyberkriminalität noch weiterer Unterstützung bedürfe.


Eine besondere Herausforderung stelle das Problem der Radikalisierung dar, bei dem man weit vor der Radikalisierung selbst ansetzen müsse. Der Schwerpunkt müsse auf Kindern und Jugendlichen liegen. Das Aufklärungsnetzwerk gegen Radikalisierung (RAN) habe dabei mit seinem kollaborativen basisnahen Konzept bereits Erfolge erzielt und denjenigen Hilfestellung geben können, die sich in Gefängnissen und Schulen gegen die Radikalisierung einsetzen, so King. Man müsse aber schärfer gegen Terrorismuspropaganda und Hassreden im Internet vorgehen.


Bereits vorhandenen Informationssysteme müssten lückenlos umgesetzt und angewandt werden. Zudem müsse man überlegen, wie Informationen zwischen den unterschiedlichen Systemen ausgetauscht werden können.
Auch das EU-weite Reiseinformations- und Genehmigungssystem (ETIAS), das Sicherheitsvorabkontrollen für in die EU einreisende Drittstaatsangehörige ermöglichen würde, steht auf Kings Agenda.


Es bleibt viel zu tun für Sir Julian King, nicht zuletzt in Sachen Koordination. Denn die bessere Abstimmung der einzelnen mitgliedstaatlichen Aktivitäten mit den Initiativen auf europäischer Ebene ist dringend notwendig. Für King dürfte dabei vor allem Gilles de Kerchove, der seit 2007 für den Rat EU-Koordinator für die Terrorismusbekämpfung ist, ein wichtiger Ansprechpartner werden.

Den "Mission Letter" von Kommissionspräsident Juncker an Sir King finden Sie hier: http://ekd.be/2hl5A0r

Nächstes Kapitel