Europa-Informationen, Ausgabe 153, Dezember 2016
Arbeitsprogramm 2017: "Für ein Europa, das schützt, stärkt und verteidigt"
Damian Patting
"Für ein Europa, das schützt, stärkt und verteidigt" - unter diesem Titel hat die Europäische Kommission am 25. Oktober 2016 ihr Arbeitsprogramm für das kommende Jahr 2017 veröffentlicht. Dieses Arbeitsprogramm steht in besonderem Maße unter dem Eindruck der Herausforderungen, denen sich die Europäische Union gegenwärtig ausgesetzt sieht und ist eng an die Rede von Kommissionspräsident Juncker zur Lage der Union vom September 2016 angelehnt. Die wirtschaftliche Erholung habe sich noch nicht überall ausgewirkt, die anhaltenden Migrationsherausforderungen würden die Außengrenzen und die europäische Solidarität auf die Probe stellen, so die Kommission. Zudem sei der internationale Terrorismus in Europa präsenter denn je und das Referendum im Vereinigten Königreich habe ebenfalls zu weiterer Verunsicherung beigetragen.
Das Programm für 2017 sieht 21 Schlüsselinitiativen vor, welche den Schwerpunkt auf die Festlegung und Umsetzung bereits in früheren Jahren unterbreiteter Vorschläge legen.
Es sollen neue Impulse für Arbeitsplätze, Wachstum und Investitionen gesetzt werden. Zu diesem Zweck ist die Gründung des Europäischen Solidaritätskorps bis Ende 2016 vorgesehen, welcher jungen Menschen unter 30 ermöglichen soll, sich solidarisch aktiv in die Gesellschaft einzubringen (siehe nachfolgender Artikel). Darüber hinaus sollen weitere - teils legislative, teils nicht legislative - Maßnahmen im Bereich der Jugendpolitik getroffen werden: darunter fällt die Schaffung eines Qualitätsrahmen für Berufsausbildung ebenso wie die Verbesserung der Mobilität Auszubildender.
Die Laufzeit und finanzielle Ausstattung des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) soll verdoppelt werden. Weiterhin soll das Ziel einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft konsequent weiterverfolgt werden. Zur Umsetzung des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft sollen unter anderem eine Strategie zur Wiederaufbereitung und Wiederverwendung von Kunststoffen und ein Überwachungsrahmen für die Kreislaufwirtschaft entwickelt werden.
Weiteres Ziel der Kommission ist der Ausbau eines digital vernetzten Binnenmarktes. Dazu zählt neben der Erzielung von Fortschritten im digitalen Vertragsrecht, Urheberrecht und "Geoblocking" als Kernprojekt die Abschaffung der Roaming-Gebühren bis Mitte 2017.
Als Bestandteil eines Sozialpakets soll eine europäische Säule sozialer Rechte mit der Ambition entwickelt werden, die Leistung der Beschäftigungs- und Sozialpolitik in den Mitgliedsstaaten zu optimieren (siehe nachfolgender Artikel). Davon umfasst sind auch Initiativen zur Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben für Erwerbstätige mit Familie. Zudem soll die Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie verbessert werden, nach welcher arbeitnehmerschützende Aspekte der Arbeitszeitgestaltung Eingang in die nationale Gesetzgebung finden müssen.
Die Kommission plant außerdem, den Ausbau einer robusten Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzpolitik voranzutreiben. Nach der Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens sei klar, dass nur ein gemeinsames Vorgehen, entsprechende Wirkung entfalten könnte, so. z.B. durch eine Strategie für emissionsarme Mobilität gelegt, mit dem Ziel der schrittweisen Umstellung auf emissionsfreie Fahrzeuge.
Ein vertiefter und fairer Binnenmarkt mit gestärkter industrieller Basis soll durch die gegenseitige Anerkennung von Erzeugnissen und die Vertiefung einer Vereinheitlichung der Wettbewerbsvoraussetzungen erreicht werden. So dürfe etwa bei rechtmäßiger Herstellung und Markteinführung eines Produktes in einem Mitgliedstaat ein anderer Mitgliedstaat dessen Verkauf nicht untersagen. Ein besonderes Augenmerk soll zudem auf Maßnahmen gegen Steuerbetrug und -vermeidung gelegt werden.
Eine vertiefte und fairere Wirtschafts- und Währungsunion soll dadurch erreicht werden, dass das europäische Finanzaufsichtssystem (ESFS) überarbeitet wird, um die Aufsicht auf der Makro- wie auf der Mikroebene wirkungsvoller und effizienter zu gestalten. Weiteres vorrangiges Anliegen ist die Vollendung der Bankenunion.
Die Wiederaufnahme der Verhandlungen zur Begründung eines vernünftigen und ausgewogenen Freihandelsabkommens mit den Vereinigten Staaten ist zwar Kern der handelspolitischen Ziele, dürfte sich aber mit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten vorerst erledigt haben. Daneben steht aber auch die möglichst rasche Ratifizierung des CETA Abkommens mit Kanada auf der Agenda.
Ein weiteres zentrales Anliegen ist die Etablierung eines auf gegenseitigem Vertrauen fußenden Raumes der Freiheit und des Rechts angesichts zunehmend präsenter Terrorgefahr. Als wesentliche Schritte zur Schaffung einer Sicherheitsunion sollen nicht nur der Ausbau der Grenzkontrollen sein, sondern vor allem die Entwicklung eines EU-weiten Reiseinformations- und Genehmigungssystem (ETIAS) das eine Überprüfung zur Einreise visumsbefreiter Drittstaatsangehöriger in den Schengen-Raum zum Gegenstand hat. Ebenfalls sollen abschreckende Sanktionen gegen Geldwäsche, illegale Bargeldtransfers und illegalen Handel mit Kulturgütern weiter ausgebaut werden. Zudem sollen die Schlagkraft von Europol sowie die Ausstattung des Europäischen Zentrums für die Terrorismusbekämpfung verbessert werden.
Um mehr Gewicht auf der internationalen Bühne zu erhalten, soll der gerade erst veröffentlichte europäische Aktionsplan im Verteidigungsbereich umgesetzt werden. Vorgesehen sind hierzu unter anderem die Schaffung eines europäischen Verteidigungsfonds, um einen Anreiz für Forschungs- und Innovationstätigkeit zu schaffen. Vor dem Hintergrund des gegenwärtig möglicherweise drängendsten Konfliktes soll insbesondere eine EU-Strategie für Syrien entwickelt werden, in der dargelegt werde soll, welche substantiellen Beiträge die Europäische Union in humanitärer Hinsicht zum Übergang, zur Stabilisierung und zum Wiederaufbau Syriens leisten kann.
Angesichts der aktuellen Flüchtlingskrise soll ein neues Konzept im Ausblick auf den Ende 2017 anstehenden EU-Afrika-Gipfel entwickelt werden. Zudem werden Mittel aus dem Nothilfe Treuhandfonds für Afrika sowie die neue europäische Investitionsoffensive für Drittländer bereitgestellt werden. Hinausgehend über die konkrete Ausgestaltung der Beziehungen zum afrikanischen Kontinent soll ein überarbeiteter Konsens über die Entwicklungspolitik vorgelegt werden, der die Umsetzung nachhaltiger UN- Entwicklungsziele bis zum Jahr 2030 zum Ziel hat.
Damit die Europäische Union auch im Übrigen die bestehenden Migrationsherausforderungen effektiv angehen kann, bedürfe es eines vollständigen Migrationssteuerungsinstrumentariums. Im Mittelpunkt stehen hier die Umsetzung der Vorschläge zur Reform der Dublin-Regeln, die Umwandlung des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) zu einer eigenständigen Asylagentur sowie der Ausbau von "Eurodac", die Entwicklung eines Neuansiedlungsrahmens und die Schaffung von Maßnahmen zur legalen Migration.
Die derzeitigen rechtspopulistischen und europakritischen Entwicklungen in mehreren europäischen Mitgliedstaaten machten es zudem erforderlich, dass sich die Kommission für bessere Rechtsetzung, Rechenschaft und Transparenz einsetzt, um das Vertrauen der Unionsbürger zurückzugewinnen. Zu diesem Zweck sollen bestehende Vorschläge eines verbindlichen Transparenz-Registers für das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission umgesetzt werden.
Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2017 finden Sie hier: http://ekd.be/Arbeitsprogramm_Kommission